Rainer Hendriks

Stand: 2004 - Feb - 26

 

Das Leben eines Ritmo.

1993 habe ich meinen ersten Ritmo gekauft, einen 60 Energy Saving in Grundausstattung, dies war erst mein zweites Auto und ich wollte damit eigentlich nur in den Urlaub nach Bayrischzell fahren um Ski zu laufen.
Daraus wurde aber eine Recht lange "Urlaubsfahrt", nämlich sechs Jahre. Ich war damals 21 Jahre alt und das Auto sah mindestens genauso alt aus.

Er war in so einem seltsamen nichtssagenden Blau lackiert (Originallack) ziemlich ausgeblichen und matt, und man konnte ihm sein Alter schon recht deutlich ansehen. Außerdem hatte er einen Unfallschaden vorne, 7 Vorbesitzer und schon 198.000 Km gelaufen.

Aber damals war es so ziemlich das Einzige was ich mir leisten konnte, schließlich wollte die Vorbesitzerin nur 200 DM haben und er war fahrbereit.

Als wenn mir der liebe Gott einen Wink mit dem Zaunpfahl geben wollte um mir zu sagen: "Oh du mein Rainer - Das war ein Fehler" ist gleich auf der Heimfahrt die eh schon verbeulte Motorhaube (bei ca.60 Km/h) aufgegangen und durch den Fahrtwind mit voller Wucht auf die Windschutzscheibe und Scheibenrahmen geknallt.

Die Sichtverhältnisse waren als eher schlecht zu bezeichnen – zappenduster. Vollbremsung und Bestandsaufnahme : Haube jetzt ganz hin, Die Haubenaufhängungen haben zwei Löcher ins Blech gerissen und die Windschutzscheibe hat`s erwischt.

Wenigstens keine Verletzten oder Toten. Na, ja war ja auch ein Unfallwagen und ich konnte ihn somit nicht zurückgeben. Dies alles geschah am Montag (Kaufdatum) und ich wollte mit meiner heutigen Frau am Freitag der gleichen Woche ins besagte Bayrischzell.

Übrigens : Einer der Hauptgründe den Ritmo zu kaufen war damals für mich, dass ich um keinen Preis der Welt so ein "Allerweltsauto" wie den Golf fahren wollte. Am nächsten Tag ging`s erst mal zum Schrottplatz und ich habe Haube und Scheibe gekauft und gleich montiert.
Die Richtarbeiten am Frontblech habe ich damals sehr provisorisch ausgeführt – wie gesagt, er sollte ja eigentlich nur die Urlausfahrt durchhalten.

Am Freitag ging`s dann los in den Urlaub, und das Auto lief fast immer super. Die Kupplung hat zwar schon auf der Hinfahrt in den Kasseler Bergen ziemliche Probleme gemacht (gerutscht) und wir konnten Bergauf nur mit ca.30 Km/h schleichen und der Motor hat ein wenig gestottert, aber wir sind insgesamt 2.500 Km in zwei Wochen gefahren und auch heil wieder zu Haus angekommen.

Ich rate aber jedem davon ab mit abgefahrenen Sommerreifen in verschneite Gegenden zu fahren. Als wir in Bayrischzell ankamen musste ich eine Steigung hinauf die ich unterschätzt habe. Auf halber Höhe sind wir rückwärts wieder runtergerutscht und beim Versuch mittels Handbremse zum stehen zu kommen ist prompt das Seil gerissen. Ich habe noch am gleichen Abend bei der Tankstelle im Ort Schneeketten gekauft.

Auf der Heimfahrt, als wir schon fast zu Hause waren ist noch was "Lustiges" passiert : Beim Bremsen auf der Ausfahrt ist meine heutige Frau mitsamt Beifahrersitz "abgesackt". Die vordere Sitzbefestigung ist durchs vergammelte Blech gebrochen. Mit ziemlicher Schieflage und einem verdattertem Gesicht blickte mich meine Freundin vorwurfsvoll an, und meinte "Bring die Schrottkarre bloß zum Schrottplatz"!!

Vielleicht hätte ich lieber auf sie hören sollen. Habe ich aber nicht, und der Ritmo landete ein paar Monate später in "meiner" KFZ-Selbsthilfewerkstatt. Ich neige dazu gewisse Dinge zu verharmlosen und denke immer "Ach, das kriegst du schon hin". Die Schweißarbeiten begannen, und sollten mich nicht so schnell wieder loslassen. Wenn ich heute daran denke wie viel Zeit und Geld ich damals investiert habe, wird mir ganz anders.

Damit ihr euch dass vorstellen könnt : 1 Std. Stellplatz in der Werkstatt kostet 7 DM / 1 Std. Bühne 14 DM / Schweißgerät 14 DM in der Stunde usw.

Ein Tag Arbeit am Ritmo (12 Std) hat mich im Schnitt 200 DM gekostet. Erst nach knapp 6 Monaten war er dann fertig. Ich konnte ja fast nur an den Wochenenden an ihm arbeiten.
Den Rest der Zeit musste ich ja zur Arbeit um die "Restauration" zu bezahlen. Übrigens habe ich Ihn trotzdem weitergefahren, auch wenn wochenlang keine Sitze eingebaut waren, dann hab ich mir halt 2 alte Felgen unter den Po gelegt. Als ich allerdings einen Schweller heraustrennte und es nicht mehr geschafft habe den neuen einzuschweißen wurde die folgende Woche schon ein bisschen kriminell, bei jeder Bodenwelle verbog sich die Karosserie wie ein Flitzebogen und die Türen gingen auch nicht mehr so richtig auf und zu.

Als ich am nächsten Samstag den neuen einschweißen wollte, musste ich erst mal einen Wagenheber Karosseriemittig ansetzen um den Wagen zu richten. Ich war schon ziemlich verückt. Als er dann endlich lackiert war (Opel Pazifik Blau) sind meine finanziellen Mittel am Ende gewesen und ich konnte vorerst nicht einmal den TÜV bezahlen. Aber ich konnte endlich wieder Ritmo fahren. Nächsten Monat bekam er dann auch ohne Beanstandung die Plaketten. Der Prüfer hat sogar zwei Kollegen geholt um ihnen den Unterboden zu zeigen (Weißer Unterbodenschutz !!). Das hat mich schon fast alle Mühen vergessen lassen.

Im Laufe der nächsten Jahre habe ich mehrere Ritmo`s geschlachtet um meinen aufzuwerten z.B.: Einbau des Motors und der Innenausstattung mitsamt Kabelbaum, Fensterherbern, Zentralverriegelung ,Armaturenbrett, Stoßstangen uvm. Von einem 75 S Bj.88. Nachdem ich den zweiten Getriebeschaden in Folge hatte bot sich die Gelegenheit einen Regata 100S kostenlos bei einem Opel Händler abzuholen und habe Motor und Getriebe bei meinem Ritmo eingebaut. Ich musste auch die gesamte Auspuffanlage erneuern. Ich hatte bis dahin immer noch die 60 PS Anlage drunter und diese passte nicht für den 100S.
Außerdem habe ich das vordere Fahrwerk und die Bremsen übernommen. Ich hatte viel Spaß mit diesem Auto. Leider ist er heute wegen der vielen Pfuscharbeiten meiner Jugendzeit (infolge Geldmangel) wohl nicht mehr zu retten. Ich habe ihn zwar noch in meiner Garage stehen, aber eine Reparatur wäre sehr aufwendig, da wirklich alles an Technik was es an diesem Auto gibt defekt ist. Ich musste mich halt damals zu sehr mit dem Rost beschäftigen.

Ich habe mir gegen den Willen meiner Frau aber doch noch einen Ritmo zugelegt : 105 Tc Bj.1983, Rot, ca.105.000 Km gelaufen. –Blech schlecht aber Technik einigermaßen i.O.
Ich warte nun schon ca. 2 Jahre darauf eine Halle oder ähnliches zu bekommen um ihn Restaurieren zu können.

Mittlerweile hat sich meine familiäre Situation auch nicht gerade schrauberfreundlich entwickelt, d.h.: Ehefrau und 2 Kinder !!Und immer wenn ich von meinem Ritmo schwärme merke ich, dass unser neuer Renault Espace (10 Jahre alt), bei meiner Frau die Nase vorne hat.
Na, ja: Sie hat ja eigentlich auch nicht ganz unrecht.

Und trotzdem werde ich irgendwann wieder "meinen" Ritmo fahren !!!

Stand Anfang 2004:
Habe leider im Moment keinen Ritmo mehr, da die Garage weg ist. Werde wohl auch so schnell keinen mehr fahren, obwohl ichs gerne würde, ist einfach Kult.